Heraldik im Unternehmen - die Initialzündung und das Projekt.

Der bayrische Industrielle Willi Schildt errichtete 1975 bis 1977 in Marokko eine Kleiderfabrik und war auf der Suche nach einem starken Logo und dem, was man heute als Corporate Design bezeichnet. Es sollte die binationalen Partner des Joint-Venture genauso ansprechen wie den einfachen Mitarbeiter und die Geschäftsbesucher aus Europa. Maghribiner sprechen blumig und denken in Bildern, sind stolz auf König und Vaterland und die wenigen Gottesgaben, die es hervorbringt, wie die herrliche Mandarine, Sinnbild für Sonnenschein, Fröhlichkeit und völkerverbindende Labsal. Diese wahrhaft heraldischen Kräfte wollte man für das industrielle Vorhaben nutzen. Im deutschen Stammbetrieb wurde über diese Anleihe bei Südfrüchten zunächst gespottet: „Hattu Mandarine? Hattu Saftladen“.

Das Symbol der MANDARINE bewies aber Beharrungsvermögen. Es sollte die höchst ungleiche Interessengemeinschaft im arabischen Betrieb folgendermaßen abbilden: Die Fruchtspalten sind die überwiegend weiblichen Fabrikarbeiter, sie versinnbildlichen deren Zusammenhalt, Gleichheit und Harmonie, aber auch die strenge Ordnung der Fabrik. Die Qualität einer Fabrik als Ausbildungsstätte bestimmt ihre Zukunft im Entwicklungsland. Diesen Evolutionsprozeß sowie die fürsorgliche Beziehung der Ausbildungskraft zu ihren Zöglingen symbolisieren die in der Fruchtspalte zehrend eingebetteten Fruchtkerne. Die Schale ist Klammer und Schutzmantel zugleich, von äußerster Fürsorge für die Frucht, aber verletzlich von innen wie von außen. Diese Schale der Verantwortung bilden die Unternehmensleiter und Techniker.
Und nun der grüne Zweig, den jede ordentlich geerntete Mandarine besitzen soll, er liefert als Saftspender das Lebenselixier der Frucht. Er symbolisiert die Verbundenheit der deutschen Gesellschafter, ausgedrückt durch Kapital, Knowhow und Beschäftigung.
Das Zerlegen einer Mandarine vermittelt die Natürlichkeit und Sinnhaftikeit der Strukturen des Betriebs und seine Verkapselung als menschliche Gemeinschaft.
Wie oft wurde zur Schlichtung von Begehrlichkeiten der einander fremden Menschen eine Mandarine vorgezeigt! Das Fabrikgebäude wurde orange-grün, die Lastwagen, die Arbeitsmäntel, und die gesamte Umgebung. Die Eröffnung dieser anschaulichen Idee verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Zum ersten Termin der Personalrekrutierung stand die gesamte Belegschaft einer nahegelegenen deutschen Hemdenfabrik vor dem Tor. Bewerber wurden einem Mandarine-Test unterzogen und es gab Mandarine-Zeugnisse, nach kurzer Zeit betrachteten sich alle Beteiligten als personifizierte Mandarinen. Es war Musik wenn die Arbeiterinnen nicht äußerten: „ich arbeite bei Mandarine“ sondern „je suis Mandarine“, „ich bin Mandarine“.
Die deutschen Techniker gründeten daheim Ihren Mandarine-Club und alle freuten sich über die fröhliche Identität in einem Land, in dem Fabriken sonst SIVEM, FNAC oder SOMATAM heißen. Die deutschen Kunden erhielten jedes Jahr einen Flechtkorb erntefrischer Früchte. Ein eigenes Ritual entwickelte sich in den Ateliers, wo es schwer war, konstante Leistung oder auch nur pünktlichen Arbeitsantritt zu erreichen.Die Techniker begannen zur Reifezeit morgens an jedem Arbeitsplatz eine Mandarine auszulegen, wo Beanstandungen waren, fehlte die kleine saftige Anerkennung. Die Wirkung dieser stummen Geste war unbeschreiblich. Ein örtlicher Grafiker entwarf ein phantastisches Logo und malte es auf schwankender Leiter unter das Dach. Jede sogenannte Mandarine trug es in irgendeiner Form mit sich, denn es gab Ausweise, Schlüsselanhänger, Schreibgeräte, Uhren ...

Das Beispiel ist schlicht und in unseren Organisationen sind die Dinge komplexer. Es ist aber auch hier nicht zu übersehen, daß jeder Betrieb Heraldik braucht, also tiefe, anrührende Symbole als Petschaft, Kennzeichen seiner Produkte oder Leistungen und Schild der Belegschaft. Darüber hinaus sollte ein Fahnenherold als unangreifbarer Wächter von Fairness, Haltung und Stil hin und wieder durch vorzugsweise mittlere Führungsetagen gehen.
Folkloreveranstaltungen um das Rittertum, also Umzüge, Gelage, Mummenschanz, Spiele mit Burgen, Turniergerät oder der Marketenderin sind völlig harmlos, aber daran beteiligt, die hohen geistigen und moralischen Werte der Ritterorden, sowie deren mystische und transzendente Bezüge zu verschütten. Ein Kraftfeld, das die geheimnisvolle Motivation des Ritters hervorbrachte, sein Spektrum der Glorie, Tugenden und Talente zu suchen, die Ehre seines Schildes stets aufs Neue im Turnier zu messen und demütig mit Roß und Waffen ans Ende seiner Welt zu ziehen. Eine heute alltägliche Schlagzeile lautet: „Manager sind ausgebrannt.“ Stets lautet die Diagnose Dauerstreß und die Therapie ist medizinischer Art.
Archetyp des Managers in der Mythologie des »Sich-Beweisens« ist der edle Ritter, der Gardien de la Terre Sainte. Die Fairness, grenzenlose Hingabe und das persönliche Wagnis in der Wirtschaft sind dem Turniergeist vergleichbar, wie auch der Lohn gleichermaßen in Ehre und Pfründen besteht. Herausforderungen annehmen auf der Suche nach dem Selbstwert, mit Chance und Risiko ein anderer Mensch zu werden, in der Nähe eines mit heraldischen Mitteln definierten Ideals, das ist heraldische Selbstverwirklichung. Die dahinter stehende Kraft und Motivation hat mystische Bezüge.
Stellen wir uns vor, die europäische Gesellschaftszentrifuge läuft weiter wie bisher und wir finden im Jahr 2020 das folgende Szenario:
Unser unfreiwilliger Ritter-Manager, geharnischt mit Schultiteln, Illusionen und gehobener Freizeitkultur wirft Troß und Horde auf den Turnierplatz des Weltmarkts, gegen Führer aus Fernost und Zentrum, in traditionellen Hierarchien organisiert, materialistische Dogmen bekennend und meditativ gehalten durch Zeremonien und Kulte der Vollkommenheit, gestärkt durch rituellen Kampfsport, oder die pädagogischen Relikte daraus.

Auch unsere Arsenale wären nicht leer, denn die abendländische Geschichte lehrt ähnliche Möglichkeiten der Ultramotivation nach dem Kodex und den Mysterien des Rittertums. Dieser wahre Heilsgegenstand taucht gerade rechtzeitig auf und paßt ausgezeichnet in die gesellschaftliche Situation der Zentrifuge, in deren Mechanik der inneren Vereinsamung des Menschen eine diffuse Sehnsucht nach Einheit und Erfüllung entspringt. Die Zeit der Gurus, Schamanen und Demagogen ist sichtbar angebrochen.
Der Manager ist ein erstrangiger gesellschaftlicher Multiplikator, seine Bewußtseinserweiterung in ritterliche Tugenden wäre gleichbedeutend mit einer heraldischen Evolution und lohnt daher jedes ideelle Engagement.

Der Idealtyp des ritterlichen Managers erwirbt Fachwissen und entwickelt systematisch die physischen und psychischen Kräfte, um persönlichen Herausforderung gewachsen zu sein. Er sucht kontemplativ nach der in seinem Wesen manifestierten Glorie, welche ihm Autorität, Charisma und Aura verleiht, gemäß der Devise der Tempelritter: „Non nobis, non nobis Domine, sed nomini tui ad gloriam“.
Er erwirbt Freiheit und Klarheit nach archaischen Regeln, schreibt seine Intentionen, Tugenden und Talente in heraldische Symbole, als täglichen Meditationsgegenstand auf dem Wege zur Vollkommenheit, Maßstab für Ehre, Stil, Würde und Haltung. Er bewacht sein Chakra durch den strahlenden Cyclamor, seine Dynamik durch Bullamanica und die Taten seiner Hand durch den Wappenring.